Gotthilf Fischer – Der Herr der Chöre ist tot

Er brachte Tausende zum Singen und konnte fürs gemeinsame Singen begeistern. Am 11. Dezember 2020 starb der weltbekannte Chorleiter in Weinstadt.
Gotthilf Fischer in der Pause zu Dreharbeiten in Lugano, 2006. Foto: Ingelore Bernasconi, Wikipedia-Upload von Wilfried Wittkowsky mit Genehmigung der Fotografin unter CC GNU Free Documentation License.

Gotthilf Fischer hatte polarisiert, ja, zu ihm mag man daher stehen wir man will. Aber unbestritten sind seine Leistungen um das Singen in Gemeinschaft. Seine Liebe zum deutschen Volkslied begründete er einmal in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung: „Das sind Lieder, die in einem Zeitraum von bis zu 600 und 800 Jahren entstanden sind und überall auf der Welt gern gehört werden. Nur in Deutschland hat man anscheinend ein Problem damit. Wir haben in Amerika ,Sah ein Knab ein Röslein stehn’ gesungen und die Leute haben mit glänzenden Augen zugehört.”

Der gebürtige Plochinger betrieb das Singen immer auch als eine Art Friedensmission, was ihm neben aller Zuneigung durchaus Spott eintrug. Beeindrucken ließ er sich davon nicht. “Wenn mir einer sagt, es geht nicht, dann geht alles – dann wache ich erst einmal auf”, beschrieb er seine Unbeugsamkeit. Noch im vergangenen Jahr bekam er eine Goldene Schallplatte für seinen Erfolg im Internet – weil seine Version der Europahymne ‘Ode an die Freude’ mit der Liedzeile ‘Freude schöner Götterfunken’ millionenfach angeklickt wurde.

Der Chorleiter hatte Sinn für das Spektakuläre und er erzielte auch Weltrekorde: Er dirigierte den ‘größten Wasserchor der Welt’, ließ die ‘meisten Walzer tanzenden Paare im Wasser’ sich im Dreivierteltakt drehen und leitete den ‘größten Bergmannschor’. Einen weiteren Weltrekord hatte er mit zwei Partnern – mit denen gemeinsam er ein neues Plattenlabel gründete – in Leinfelden-Echterdingen aufgestellt: 1.802 Gitarristen spielten gemeinsam den Deep-Purple-Klassiker ‘Smoke on the Water’. Fischer moderierte den Gitarren-Weltrekord, der im Sommer 2007 weltweites Aufsehen erregte.

Nebenbei sprang er, ebenso medienwirksam, mit dem Fallschirm ab. Seit vielen Jahren besaß Gotthilf Fischer Kultstatus. Den bestätigte er unter anderem 2000 mit einem schrägen Auftritt auf der ‘Love-Parade’ und seinem Gastauftritt im ‘Big Brother’-Container. Auch war er in den 90er Jahren öfters zu Gast bei Hape Kerkeling, in der Sendung ‘Total normal’. Alles was öffentlichkeitswirksam war, nahm er für sich ein. Wolle Kriwanek karikierte bereits 1981 Fischers ‘Geschäftstüchtigkeit’ im Lied ‘Wir singen für Millionen’.

Obwohl er nie eine musikalische Ausbildung genossen hatte, übernahm Fischer 1942, mit 14 Jahren, seinen ersten Chor. Mit 18 Jahren gründete er dann die Fischer-Chöre mit den von ihm geleiteten Chören als Kernchor. Bis zu 1.500 Singende boten die Fischer-Chöre in ihren Hochzeiten auf. Unvergessen die Auftritte der Chöre in München, zur Eröffnung der Olympischen Spiele 1972 und zum Abschluss der Fußball-Weltmeisterschaft 1974, in denen Fischer Zehntausende zum Mitsingen brachte. Von da an waren Fischers Mammutchöre auch international ein Begriff. 1975 bekam er daraufhin seine eigene Fernsehsendung im ZDF: ‘Sing mit den Fischer-Chören’. Von 1995 bs 2008 produzierte der SWR mit ihm die musikalische Serie ‘Die Straße der Lieder’. In der Zwischenzeit war er mit seinen Chören in zahlreichen TV-Sendungen zu Gast.

Die Initialzündung zur Gründung der Fischer-Chöre erfolgte 1949. Da errang er mit seinem Chor, dem GV Concordia aus Deizisau, beim Schwäbischen Sängerfest in Göppingen den ersten Platz. Danach strömten die Sänger (damals noch vornehmlich männlich) nur so zu ihm. Hochzeit der Fischer-Chöre war mit Sicherheit in den 70ern, sowohl was das Schallplattengeschäft anging, als auch die Auftritte. Der Titel ‘Sing mit Fischer’ wurde zu Gotthilf Fischers Markenzeichen und auch zu dem seiner Chöre. Auch das Chorsingen in den Chören vor Ort hatte Gotthilf Fischer mit seinen fulminanten Auftritten ganz sicher beflügelt. Waren doch die 70er Jahre auch eine generelle Hochzeit der Chormusik mit einem regen Zulauf Singwilliger.

Rund um die Welt stand Fischer zeitweise vor bis zu 62.000 Sangesfreudigen, wird gemutmaßt. Mehr als 16 Millionen Schallplatten verkaufte er mit seinen Chören. “Böse Menschen haben keine Lieder. Wenn einer singt, ist er fröhlich”, sagte der Wahl-Weinstädter einmal. Seit 2008 war Fischer Witwer, seine Frau Hilde starb im Alter von 89 Jahren nach 59-jähriger Ehe. Sie hatte 1949 einen Sohn mitgebracht, gemeinsam bekamen sie zwei Kinder. Gotthilf Fischer starb im Alter von 92 Jahren in seinem Wohnort Weinstadt bei Stuttgart.

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Autor: dpa / Dieter Meyer
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